Michael von Jung

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Dialäkt: Schwäbisch
Michael von Jung
Michael von Jung


Dr Michael von Jung (* 29. Septembr 1781 en Sulga, + 24. Juli 1858 en Tettnang) isch an obrschwäbischer Pfarrer gwäa, wo hauptsächlich en Kirchdorf bei Memmenga gwirkt hot. Weit ibr sei Hoimat naus bekannt worra isch’r abr durch seine Grabliadr, wo’nr bei de Beerdigonga am offena Grab gsonga ond en zwoi Biachla („Melpomene“) voröffentlicht hot.

Inhaltsverzeichnis

[ändere] Sei Leaba

[ändere] Kendheit ond Jugend

Dr Michael Jung wird am 29. Septembr 1781 en dera obrschwäbischa Stadt Sulga gebora. Sei Vaddr isch dr ehrbare Schneidrmoischtr Johannes Jung ond sei Muadr d Anna Maria geborene Friedmann, wo aus Altshausa stammt. Weil an deam Dag s Fescht vom heiliga Erzengl Michael ischt, geabet-em seine Eltra dean Vornama „Michael“. Weils Michele a ganz begabts Kend ischt, schickt en sei Vaddr scho em Altr vo faif Johr en d Schual. A bsondrs guada Schual kô dui abr et sei, denn als dr Michael grad amôl nei Johr alt isch, wird’r scho wiedr entlassa. ‘s hoißt, mr kennt-em nix meh beibrenga, er dät scho ällas wissa.

Dr kloine Michl hot jetzt scho da Wonsch, emôl Pfarrer zo werra, ond dät deshalb gern a Lateinschual bsuecha, abr dômit isch sei Vaddr et eiverstanda. Er moint, der Kerle soll zerscht môl was reachts lerna, am beschda ‘s Schneidrhandwerk bei ehm selbr. Ond so kommt’s au. Vo 1790 ô isch’r – d Lehr dorzuazählt – sechs Johr als Schneider tätig. Während dera Zeit zeigt sich abr emmr wieder, dass dr Michl für dean robuschta Beruaf et gschaffa ischt. Ond des isch sei Glick; denn jetzt däff’r weitrstudiera: 1796 kommt’r uf d Lateinschual noch Überlenga ond drnôch (1801) studiert’r an dr Uni Salzburg Theologie.

[ändere] Dui Zeit als Pfarrer

1806 ischt für da jetzt 25-jähriga Michael a bsondrs Johr: Er wird zom Prieschtr gweiht ond kriagt a Vikarstell en Erolzheim em heidiga Landkreis Biberach. Faif Johr spätr wird’r Pfarrer en Kirchdorf, wo ganz en dr Nähe leit, direkt an dr Grenz zo Bayern. Sei Loh, wo-nr deet kriagt, isch a bissle mickrig. Om et darba zo miassa, betreibt’r neabaher nô a bissle Landwirtschaft. Er hält au an Gaul ond a baar Küha.

En de Befreiongskriag (1813 bis 1815), ma sait au „Franzosazeit“ zo dera Epoch, brenget a baar Soldada aus Frankreich Typhusbazilla mit ens Schwobaland. Dia baar Bazilla langet grad aus, om ‘s ganz Ländle mit’ra Epidemie zo vorseicha. – ‘s ganz Ländle? – Noi! Oi gottzigs Dorf leischdet dera Seich Widrstand. (A baar Parallela zom Dörfle, wo dr Asterix gwohnt hot, send et zo ibrseha.) Ond des Dorf ischt nadierlich Kirchdorf. Dr Pfarrer Jung hot jetzt a ganz goldigs Händle. Er schafft’s, et bloß sich selbr, sondern au älle seine Pfarrkendr zo hoila. Wo des em ganza Ländle bekannt wird, send sogar älle Doktr ganz baff. Wia isch des bloß meglich, dass a Pfarrer, wo koi medizinischa Ausbildong hot, so ebbas fertig kriagt? Des grenzt scho an-a Wondr! Ond’s nächschd Wonder lôßt et lang uf sich warta: Dr Kenig vo Wirdaberg verleiht em Pfarrer Jung weaga seim hervorragenda Handla bei dera Epidemie am 18. Mai 1814 da keniglich-wirdabergischa Zivil-Verdienschtorda, ond dui Auszeichnong isch sogar mit dr Erhebong en da Adlstand vorbonda. So ebbes isch vorher no koim andra Pfarrer bassiert! Dr Michael von Jung, wia’nr jetzt hoißt, isch dô druf saumäßig stolz. Damit der Orda au guat zor Wirkong kommt, fertigt’r sich selber – er ischt jo glerntr Schneider – an Frack ô, ond do druf prangt sei Orda. Dean trägt’r abr et bloß an de Werkdag, sondern au sonndichs bei dr Mess.

[ändere] Sei Reglverstoß

Titelblatt von Melpomene, 1839
Titelblatt von Melpomene, 1839

Dui Auszoichnong vom Kenig geit em Kraft, emôl ebbas ganz Nuis zo macha, was sich bisher no koinr traut hôt. Wôrom soll ma bei-ra Leich emmr bloß a Predigt halda, wia’s landauf, landab so üblich ischt? Er ischt jô a hochmusikalischer Kerle, wo a scheena Stemm hôt ond guad Gitarr spiela kô. Also kommt’r uf dui Idee, dui Leichapredigt oifach durch a Moritat zo ersetza. Ond so wird’s au gmacht: Egal, wer grad gstorba isch, sei’s a Altr odr a Jongr, a Invalid odr a Lehrer, a Doktr odr a Landstreichr, jedr kriagt sei persönlichs Grabliad gsonga.

Des Spektakl, wo dô bei jedra Leich en Kirchdorf stattfendet, spricht sich natirlich rom em ganza Ländle. Au em Bischoff bleibt’s et verborga. Dean trifft fascht dr Schlag, wia-nr des hairt. Dui Folge ischt, dass dr Michael von Jung mit’ra Geldbuße vo 3 ¼ Gulda „wegen ärgerlichen Liedersingens“ belangt wird. Ond was macht dr Ritter Michael? Er zahlt dui Buße ond sengt weitr.

Jetzt schreibet mr ‘s Johr 1837. Bis dônô send so viel Liadr zemmakomma, dass dr Michael von Jung denkt, an deane kenndet vielleicht au andre Leit ihr Freid han, wo net vo Kirchdorf send. ‘s wär doch schee, wenn’s dia Liadr e’ma Biachle standa dätet! Abr als Pfarrer därf’r dia et so oifach drucka lau, noi, er braucht a kirchlicha Druckerlaubnis. Also schickt’r hondert vo seine Liadr, wo’nr denkt, se seiet de schenschte, ans Bischöfliche Ordinariat nôch Rottaburg ond bittet om Druckerlaubnis. Abr dômit stoßt’r beim Ordinariat uf taube Ohra. Es wird em et bloß d Druckerlaubnis versagt, er kriagt au nô da Befehl, endlich mit dera ärgerlicha Sengerei uf em Kirchhof ufzhöret. – Ond was macht dr Ritter Michael von Jung? Der schert sich net oms Ordinariat! Er geit dia Liadr em Selbschdverlag raus ond sengt weiter bei de Leicha seine Moritada. Seira Liadrsammlong geit’r da Titel „Melpomene oder Grablieder“. Uf em Titlbild sieht mr de griechisch Muse vom Trauerspiel: Melpomene.

1849 wird dr Michael von Jung vom Bischöflicha Ordinariat nôch Tettnang strôfversetzt ond zom Kaplan degradiert. Deet leabt’r nô zäa Johr, ohne Grabliadr zo senga ond ohne Biachr rauszogeba. Am 24. Juli 1858 stirbt’r ond wird uf em Tettnanger Friedhof begraba. 1919 wird sei Grab ufglöst.

[ändere] Seine Werk

  • Der heilige Willebold. Eine Legende aus dem dreizehnten Jahrhundert, Schauspiel, 1820
  • Melpomene oder Grablieder, Zwoi Bänd, 1839

[ändere] A baar Beispiel zo de Grabliadr

Dr ganz Tekscht vom Titlblatt uf em Band I ischt Folgender: „Melpomene oder Grablieder – Zwei Bändchen, jedes hundert Grablieder enthaltend, mit zwanzig Melodien, verfaßt und herausgegeben von Michael von Jung, Ritter des Königlich Württembergischen Civilverdienst Ordens, Ehrenmitglied der Kameralistisch-öconomischen Societät zu Erlangen, ehemals Schulinspector und Konferenzdirector und seit 28 Jahren Pfarrer in Kirchdorf bei Memmingen an der Iller – Ottobeuren – mit ganzerschen Schriften – 1839 – Zu haben bei dem Verfasser“

‘s erscht Liad em Band 1 isch a Widmong. Mr kennt jetzt moina, dass’r seine Grabliadr em Kenig vo Wirdaberg als Dank für dui graußa Auszeichnong, wo-ner von-em kriagt hôt, gwidmet hot, abr ‘s kommt ganz andersch: Der Verfasser an den Tod hoißt’s erschte Liad. Ond so fangt’s ô:

Mit Ehrfurcht leg ich hier, o Tod!
ein Werk zu deinen Knochen,
das ich, so oft du mich bedroht,
zu widmen dir versprochen,
wenn du noch lange mich erhältst,
nicht unvermutet überfällst,
und gnädig noch verschonest.

Wenn dr Michael von Jung en seine Grabliadr bloß ‘s Ableaba vo de Leit beklagt hätt, nô dät sich heit koi Mensch meh drfür entressiera. Für d Nôchwelt send se deshalb entressant, weil se bis en de kloinschte Einzlheita schildret, wôrom ond wia’s zom Dot komma ischt. Dr Dichter erwähnt au et bloß ‘s Guade vo seine Pfarrkender, noi, er stellt au d O’tugenda drasdisch raus. So hoißt’s zom Beispiel "Bei dem Grabe eines Mannes, der in Betrunkenheit erfror":

...
Doch wollte er bei Nacht allein
berauscht nach Hause gehen,
und konnte, voll vom Branntewein,
beinahe nicht mehr stehen.
Der Wirt jedoch, besorgt für ihn,
sah weislich nach, ob wohl dahin
er glücklich kommen werde.
Allein anstatt nach Haus zu gehen,
ging er zum andern Wirte,
wohin, was öfter schon geschehn,
der Kirschengeist ihn führte,
und fiel gleich mit der Tür ins Haus.
Erschrocken sprang der Wirt heraus,
zu sehen, was es gebe.

Dr Michael von Jung isch abr au a Freind vom technischa Fortschritt gwäa ond hot’s et versäumt, seine Pfarrkendr dô dribr ufzoklära. So hoißt’s Bei dem Grabe eines vom Blitz erschlagenen Jünglings":

Besonders sollen wir niemal
hin unter Bäumen stehen,
weil öfter wir der Blitze Strahl
in diese schlagen sehen.
Auch ist’s gefährlich allemal
bei Pferden, Pflug und Wagen,
denn öfter pflegt der Blitzesstrahl
in sie hinein zu schlagen.
Am besten schützt uns allemal
ein guter Blitzableiter,
er zieht an sich den Blitzesstrahl
und lässt ihn nicht mehr weiter.

Ganz bsonders o-freiwillig komisch wird’s oft, wenn en dr letzschda Stroph d Ô’ghörige treschdet werda sollet. So hoißt’s Bei dem Grabe einer vortrefflichen Sängerin, die an der Kolera starb:

Sie hätt vielleicht auf dem Theater,
das oft der Sünde Gift versüßt,
die Herzensunschuld in zu spater
Verzweiflung schmerzlich eingebüßt,
so dass die Kolera sogar
für ihre Seele besser war.

So viel ganz o-gwehnliche Todesfäll, wia se en deane 200 Liadr vorkommet, kô’s eigentlich en so ma kloina Nescht wia Kirchdorf gar et geba han. ‘s spricht viel drfür, dass dr Jung aufmerksam d Zeidong gläasa hôt ond sich vo Todesfäll, wo sonschtwo bassiert sen, hôt inspiriera lau. Ma braucht bloß emôl d Titel vo a baar Liadr leasa, om dia oft ganz seltsame Todesarda zo erfassa:

Bei dem Grabe...

... eines Jünglings, der sich zutod tanzte
... eines Mädchens, das sich zutod tanzte
... eines jungen edlen Grafen, der in einem Duell erstochen wurde
... eines erschossenen Jägers
... eines Mannes, der von einem Kirchturm herab zutod fiel
... eines sechsfachen Mörders
... eines Mannes, der mit einem Regenschirm erstochen wurde
... eines Kindes, das in einen siedenden Kessel fiel
... einer Frau, bei deren letzten Zügen der mit Menschen angefüllte Kammerboden brach
... eines Raubmörders, der gerädert wurde
... eines Schullehrers und seiner Frau, die als Giftmischer enthauptet wurden

Zom Schluss sei nô druf nôgwiesa, dass en dera Sammlong au a Grabliad „Auf den Tod Seiner Majestät Friedrichs, des ersten Königs von Württemberg“ enthalda ischt, ond ‘s ischt kaum vorstellbar, dass bei dera Beerdigong dr Michael von Jung am Grab mit seira Gitarr gschdanda isch ond gsonga hot.


[ändere] Theatr ond Verfilmong

Dr bekannte Allgaier Schriftstellr Alfred Weitnauer hot ibr da Michael von Jung a schwäbischs Theatrstick gschrieba. „Sing nicht, Vogel!“ hot’r’s ghoißa. Zom 70. Geburtsdag vom Willy Reichert em Johr 1966 hot’s Deitsche Fernsehe des Stick ondrem Titel „Der Vogel lässt das Singen nicht“ als Produktion vom SDR rausbrocht. Dr Willy Reichert hot natierlich da Michael von Jung gspielt. Sei Haushältere isch vo dr Margret Carl ond dr Domkapitular, de oinzig Roll en deam Stick, wo et Schwäbisch schwätza däff, vom Dieter Borsche dargstellt worda.

[ändere] Litradur ond Quella

  • “Michael Jung – Melpomene“, rausgeaba vom Franz Hammer, Karl Fink Verlag München (1958)
  • Alfred Weitnauer: „Michael von Jung“, Verlag für Heimatpflege Kempten (1963)

[ändere] Weblinks

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